"Eine zweite Familie auf der anderen Seite der Welt"

Von Hanja Haustein (Abitur 2019) 

Im Nachhinein mein Auslandsjahr zu reflektieren, geht nicht in drei Sätzen, und auf die Frage, wie es denn im "Ammi-Land" war, möchte man auch mit so viel mehr als nur einem "sehr gut" antworten. Denn hinter diesem platten "sehr gut" stecken viele Monate voller Erinnerungen, Gefühle und Erfahrungen, die man sein ganzes Leben mit sich tragen wird. Vorab kann ich schon ganz deutlich sagen, dass mein Austausch noch tausendmal besser war als gedacht.

 

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Eckdaten zum Austausch mit einem Stipendium

Zielland: USA
Zeitraum: Schuljahr 2016/17
Organisation: Experiment Ev.
Stipendium: Parlamentarisches Patenschafts-Programm (PPP)
Zielort: East Earl, Pennsylvania (in einer Gastfamilie)
Links: https://www.bundestag.de/ppp ; http://hanjasamericanwayoflife.blogspot.de/

Warum war mein Austausch noch tausendmal besser als gedacht? Ich hatte unglaublich Glück mit meiner Gastfamilie und ich kann jetzt sagen, dass ich eine zweite Familie auf der anderen Seite der Welt habe. In einem Auslandsjahr wächst man über sich hinaus und findet ganz neue Eigenschaften, von denen man gar nicht wusste, dass man sie besitzt. Alleine schon deswegen würde ich jedem empfehlen, ein Jahr oder nur ein paar Monate im Ausland zu verbringen.

Ich bin erst nach der E-Phase nach Amerika gegangen und war somit älter als die meisten Austauschschüler, das hat mich allerdings nicht gestört, denn man muss letzten Endes darauf achten, wann man sich selbst bereit fühlt diesen Schritt zu wagen.
Mein Auslandsjahr habe ich in Pennsylvania, einem der 13 Gründungsstaaten der USA verbracht, genauer gesagt in Lancaster County etwa eine Stunde von Philadelphia und jeweils zweieinhalb Stunden von New York City und Washington, D.C. entfernt. In dieser Region leben die meisten sogenannten Amish-People, sie sind vor fast 300 Jahren vor allem aus Deutschland ausgewandert und sprechen noch heutzutage einen Mischmasch aus Deutsch und Englisch. Durch die Amish ist meine Region sehr religiös und konservativ geprägt, zusätzlich ist die Haupteinkommensquelle die Landwirtschaft. So kam es, dass Donald Trump auch hier sehr großen Anklang gefunden hatte. Nichtsdestotrotz konnte man vor allem an der jungen Gesellschaft erkennen, dass viele mit seiner Politik nicht einverstanden sind. Die Leute sind mir trotzdem immer offen und interessiert entgegen getreten und ich musste auch niemanden darüber aufklären, dass in Deutschland die Mauer nicht mehr steht.

 

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Eine andere PPP-Stipendiatin und ich bei der Vereidigung von Donald Trump in Washington, D.C.


Es ist immer ein guter Tipp, sich in schulischen Aktivitäten zu engagieren, so hatte meine Gastmutter für mich schon, bevor ich überhaupt einen Fuß in die USA gesetzt hatte, organisiert, dass ich beim Cheerleading mitmachen konnte. Hier habe ich auch direkt meine ersten Freundinnen und und meine Lieblingsaktivität gefunden. Nachdem ich auch im Winter Cheerleading gemacht hatte, habe ich mich im Frühling an Softball, also Baseball für Mädchen, probiert. Außerdem war ich im Musical, welches ausgerechnet dieses Jahr "High School Musical" war. Besonders hier habe ich viele Freunde gefunden, mit denen ich in regelmäßigem Kontakt stehe. Weiterhin kann ich über die High School nur sagen, dass es ein ganz anderes Erlebnis ist, zur Schule zu gehen. Man findet bei jedem Lehrer ein offenes Ohr und die Schule ist an sich auch leichter, es wird nicht nur auf Leistung, sondern auch Menschlichkeit geachtet. Ein unglaubliches Erlebnis sind natürlich die Football-Nights, wo jeder seine Schule supported und man sich wie in einem kitischigen High School-Film vorkommt. School Spirit wird allgemein sehr groß geschrieben und es ist nichts Unübliches, stolz sein Schultrikot zu präsentieren, noch jetzt fiebere ich bei meiner High School mit. Sobald man einmal in die Schulgemeinde aufgenommen wurde, findet man eigentlich überall Freunde.

 

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Meine Gastschwester Morgan und ich bei der "Pink Out-Night" die auf Brustkrebs aufmerksam machen soll.


Da ich ein Stipendium des deutschen Bundestages und amerikanischen Kongress hatte, musste ich eine bestimmte Anzahl an gemeinnütziger Arbeit machen, so habe ich sehr gerne in der örtlichen Bücherei ausgeholfen. Dass diese deutsche Leseabende hatten, traf sich natürlich noch besser. Man fängt allgemein an das Leben in Deutschland zu schätzen und obwohl die USA ein unglaublich tolles Land mit netten Leuten sind und ich nun sagen kann, dass ich dort eine zweite Heimat gefunden habe, bin ich doch sehr froh hier in Deutschland zu leben. Als Austauschschüler/-in, vor allem aus einen liberalen Land wie Deutschland, hat man noch einmal einen ganz anderen Blick von außen auf ein Land und es fallen natürlich die Macken auf.

Um es noch einmal kurz zusammen zufassen: Ein Auslandsaufenthalt ist eine ganz besondere Erfahrung und geht deutlich über das Ziel, die Sprache fließend zu beherrschen, hinaus. Die Leute, denen man unterwegs begegnet, und die Entscheidungen, die man trifft, werden einen sein ganzes Leben prägen, und so lange man mit offenen Augen hineingeht, kann man sich dem Zauber der anderen und fremden Kultur eigentlich gar nicht mehr entziehen. (Hanja Haustein)