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RBaierEinleitung
Gleich zweimal, am 06. und 09. November, kam Richard Baier auf Initiative einer unserer Schülerinnen und dank des Engagements der Aufgabenfeldleiterin der Gesellschaftswissenschaften, Maria Eichner, an die ASS, um den vielen Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs Q3 seine Geschichte zu erzählen. In unserer Aula herrschte gespannte Aufmerksamkeit, während er berichtete.

 

Denn Richard Baiers Geschichte ist zugleich die Geschichte Deutschlands und zum Teil auch die Hessens, ist er doch 1926 in Kassel geboren worden und im nationalsozialistischen Deutschland RBaier2aufgewachsen. Dass man damals in die Hitlerjugend ging, sei ganz selbstverständlich gewesen, eine

andere Möglichkeit habe es ja gar nicht gegeben. Für den Kriegseinsatz in Hofgeismar zum Sanitäter ausgebildet, habe er den Angriff auf eine Flakstellung (dieser Einsatz gehörte zur Ausbildung) nur überlebt, weil er seinen Urlaub mit dem eines Kameraden getauscht habe. Dass dieser an seiner Stelle gestorben war, erfuhr er erst, als er wieder zurückkam. Weil er das Talent zum Moderieren hatte, wurde Baier aber dann nach Berlin eingeladen, um sich als potentielle „junge Stimme“ für den nationalsozialistischen Großdeutschen Rundfunk vorzustellen. Er berichtete schmunzelnd, dass er die Einladung, zur Bewerbung nach Berlin zu kommen, in dem Glauben angenommen habe, er sei dort der einzige Bewerber. Vor Ort musste er aber mit einer Vielzahl von Mitbewerbern konkurrieren und konnte sich durchsetzen. Und dann wurden ihm genau die Ressorts aufgetragen, in denen er sich nicht auskannte – Reitsport anstelle des beliebteren Ballsports … man müsse sich als Journalist eben in allem auskennen, sei ihm erklärt worden. Im Online-Informationsdienst Wikipedia ist über den gebürtigen Kasselaner nachzulesen, Baier habe den nationalsozialistischen Großdeutschen Rundfunk am 2. Mai 1945 durch folgende Absage beendet: „Damit beendet der Großdeutsche Rundfunk seine Sendefolgen. Wir grüßen alle Deutschen und gedenken noch einmal des heroischen deutschen Soldatentums, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der Führer ist tot, es lebe das Reich.“ Diesen Satz wiederholte er auch für die Schüler der ASS, und es war zu spüren, wie bedeutsam diese Nacht für ihn gewesen ist.

 

Er sei nach Ende des Krieges wieder nach Hessen gekommen, habe seine Familie in Bad Sooden-Allendorf wiedergefunden. Später, bereits nach 1950, in Ost-Berlin wohnend, wurde er beim RIAS, dem Rundfunk im amerikanischen Sektor, angestellt. Als Journalist im geheimen Auftrag der Amerikaner berichtete er auch über den Aufstand 1953 – und wurde als Spion verhaftet. Über die Inhaftierung in Hohenschönhausen verlor Baier kein Wort, stattdessen berichtete er, dass er anschließend in der DDR nur noch als Fremdenführer arbeiten durfte, dass er Besucher durch den Park (von Sanssouci) führte. Erst nach 1989 kam Baier wieder in unsere Region und wohnt heute in Heckershausen. In Fürstenwald, wie die HNA berichtet, war er übrigens nie zu Hause.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer zeigten sich nicht nur während der 90 Minuten, in denen Baier berichtete, sondern auch noch einige Tage später tief beeindruckt. Es sei etwas ganz anderes, wenn diese Ereignisse aus Sicht eines Zeitzeugen erzählt werden, erklärten sie übereinstimmend. Herr Baier habe zwar nicht chronologisch exakt erzählt, aber so viel spannender und viel berührender. Das liegt nach Einschätzung der Jugendlichen daran, dass von den Details, die Baier zu berichten hat, kein Geschichtsbuch berichtet .

 

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Hier die Links zu online verfügbaren Informationen über unseren Zeitzeugen:

Artikel bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Baier

Ein Interview im Radio: https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/erlebtegeschichten/richard-baier-100.html ; http://www.ardmediathek.de/radio/Erlebte-Geschichten/Richard-Baier-Nachrichtensprecher/WDR-5/Audio-Podcast?bcastId=33791628&documentId=46517452

Über den Großdeutschen Rundfunk und Baiers Aufgaben: https://www.youtube.com/watch?v=eqjwqzRVEmg

Über den Politthriller "Zwei Tage Hoffnung": http://www.faz.net/aktuell/politik/17-juni-1953-verschleppt-gefoltert-verurteilt-1101900.html